Der Kreuzweg

Der Kreuzweg in unserer Kirche St. Barbara konnte allein durch Spenden der Gemeindemitglieder im Jahr 1980 erworben werden und wurde vom Künstler Bernhard Bertram aus Essen gefertigt.

 

Unser Kreuzweg besteht aus fünfzehn Bildern: den vierzehn üblichen Kreuzwegstationen, die den Leidensweg Jesu zeigen und einem zusätzlichen Bild, das bereits die Verkündigung der Auferstehung Jesu zeigt.

 

Die einzelnen Bilder sind als Reliefs von verschiedenen Formen in Bronze gegossen und wurden anschließend, um eine bessere Wirkung für den Kirchenraum zu erzielen, auf quadratische Bronzerahmen geschweißt.

 

Die folgenden Erläuterungen zum Kreuzweg und den einzelnen Stationen stammen aus Predigten von unserem verstorbenen Pfarrer, Werner Klein, der auf diese Weise (im Jahr 1980) der Gemeinde den neuen Kreuzweg vorstellen wollte.

 

In den Reliefbildern begegnen uns Hände, Finger und Füße, die viel zu groß sind. Oder extreme Körperhaltungen, die so in natura nicht vorkommen. Das ist vom Künstler beabsichtigt; er will damit bestimmte Aussagen machen. Ähnliches hat es in der Kunst schon immer gegeben. Der Kreuzweg fordert so auch dazu auf, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Kunst, die in jeder Hinsicht sofort gefällt, ist meistens keine.

1. Kreuzwegstation - Jesus wird zum Tode verurteilt

Es ist die einzige Station – abgesehen vom Auferstehungsbild – wo Jesus selbst nicht drauf ist, was sonst meist üblich ist. Wir sehen links Pilatus, der seine Hände in Unschuld wäscht, und rechts die Ankläger Jesu aus dem Hohen Rat. Nur das Wesentliche wird gezeigt: die Ablehnung einerseits und das „Seht-ihr-zu“ andererseits. Diese Beschränkung auf das Wesentliche wird dadurch besonders betont, dass die dargestellten Figuren aus dem Rahmen des Reliefs hinaus-drängen: So ist ein Bein des Pilatus nicht zu sehen und die Köpfe und Oberkörper der Ankläger kommen nur dadurch alle ins Bild, weil das Relief oben rechts sich ausweitet. –

 

Die Ankläger drücken durch ihre ganze Haltung aus, dass sie in Bezug auf Jesus, um den es geht, eine einzige ablehnende Front bilden (große, steil-angewinkelte Hände, energisch durchgebogene Arme, geschlossene Augen, geöffneter Mund). Sie beherrschen die Szene! Pilatus gibt klein bei. Er, der sich noch, aus welchen Motiven auch immer, für den Angeklagten eingesetzt hatte, lässt ihn, dem Druck der anderen weichend, jetzt fallen. Er wird hier fast aus dem Bild herausgedrängt, wiewohl er nur schulter-zuckend noch seine Autorität zu wahren sucht. Nicht nur die Schultern, auch die Wangenknochen sind hochgezogen: typischer Ausdruck für das in der Bibel überlieferte Pilatuswort: „Mich trifft keine Schuld am Blut dieses Menschen, mit dem Kreuz da seht ihr zu“.

2. Kreuzwegstation - Jesus nimmt das Kreuz auf sich

Das zweite und dritte Bild zeigen Jesus völlig allein mit dem Kreuz. Hier im zweiten Bild nimmt er es auf den Rücken, der von Schmerz und Entkräftung schon gebeugt ist und jetzt durch die Last des Holzes noch tiefer gebeugt wird. Mit übergroßen Fingern umklammert er den Querbalken: Er nimmt wirklich das Kreuz auf sich „da er sich in freiem Gehorsam dem Leiden unterwirft“. Mit großer Mühe versucht er, die Last auf seinen Schultern in die Waage zu bringen. Aber es gelingt ihm nicht; wir sehen es im dritten Bild.

3. Kreuzwegstation - Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Diesem Zentnergewicht ist der entkräftete Körper nicht mehr gewachsen. Bedenken wir was vorausging. Abgesehen von Schlägen und seit der Gefangennahme und abgesehen von dem seelischen Schmerz – die furchtbare Qual der Geißelung! Mancher der gegeißelt wurde, ist allein an dieser Tortur schon gestorben. Dann die Dornenkrönung!

 

Jetzt hat er das Kreuz nur wenige Meter geschleppt, da rutsch es von seinen Schultern, fällt zu Boden – und er selbst ebenfalls. Mit seinem rechten Arm umfängt er es, als wolle er es nicht lassen. Sein Kopf liegt auf dem Balken, der ihm für ein paar Sekunden Ruhe gewährt. Fast eine liebevolle Geste. Man möchte sagen: Auch dies ist schon eine Begegnung (wie in den drei folgenden Stationen): die Begegnung mit dem Kreuz.

4. Kreuzwegstation - Jesus begegnet seiner Mutter

Dies ist das erste Bild, wo nichts aus dem Relief hinausdrängt. Beide Gestalten sind voll im Bild. In diesem Augenblick kann die beiden nichts von all dem berühren, was ringsherum vor sich geht. Selbst das Kreuz ist weg aus dem Bild. Jesus begegnet seiner Mutter; eine ergreifende, erschütternde Begegnung. Die Gesichter sind von Schmerz gezeichnet. Kein lauter, schreiender Schmerz, sondern ein tiefer, stiller Schmerz, der sich da ausdrückt; den einer gemeinsam mit dem anderen trägt.

 

Maria drückt seinen Kopf mitfühlend und liebkosend an den ihren, während Jesus mit seinem rechten Arm die Mutter umfasst. Von diesem Arm sehen wir nur die Hand, die Marias Schulter umfängt. Seine linke Hand macht eine Gebärde des Empfangens. Er, der unser aller Last getragen hat, braucht selber Kraft und Ermutigung auf seinem Weg. Die Mutter ist bei ihm, auch wenn sie gleich wieder in die Menge zurückgezerrt wird.

5. Kreuzwegstation - Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz zu tragen

Ein Mann namens Simon, der eben vom Feld kommt, wird von den Soldaten gezwungen, Jesus das Kreuz tragen zu helfen. Ob er es gerne tut? Begeistert ist er sicherlich nicht, denn auch er ist müde und hat seine Mittagspause verdient. Simon packt das Kreuz, was für seine starken Arme nicht so ein großes Problem ist. Was ihm weit mehr Kummer macht, ist dieser Jesus! Besorgt schaut er ihn an. Wie lange wird er durchhalten? Schon wieder droht er zusammenzubrechen. Simon greift ihm mit seiner Rechten unter die Arme und zieht ihn förmlich hoch. Jesus, der Bewusstlosigkeit nahe, legt Kopf und Hand auf Simons Schulter.

6. Kreuzwegstation - Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Auch sie hat getan, was sie konnte. Viel ist es nicht. Das Kreuz tragen zu helfen, dazu ist sie zu schwach. Aber sie hat ihm den brennenden Schweiß aus dem Gesicht gewischt. Wer ist sie überhaupt? Die Bibel weiß von ihr nichts. Ihre Gestalt ist der betrachtenden, betenden, in das Leiden Jesu vertieften Phantasie der Gläubigen entsprungen. Die biblische Gestalt des Simon von Zyrene braucht doch ihre weibliche Entsprechung!

 

Eine Frau, ein Mädchen aus dem Volk: Veronika! Sie kauert vor Jesus wie eine Sklavin, eine Magd. Was tut‘s? Vor ihm, der als Gottesknecht die allertiefste Schmach auf sich nahm, ist es keine Schande, Sklavendienst zu tun. Er erniedrigt keinen, er bleibt der Bruder Jesus, der hier Veronika das Tuch zurückgibt, mit dem sie ihm das Gesicht getrocknet hat. Es trägt jetzt seine Züge. Zugleich nimmt er ihre kleine Hand in seine große und drückt sie ganz fest.

7. Kreuzwegstation - Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Dann bricht er zum zweiten Mal zusammen unter seiner Last. Das Kreuz – jetzt erschlägt es ihn fast. Und doch hält er es fest. Es ist sein Kreuz, das er auf sich nahm, weil er es selber wollte. Die übergroßen Füße tragen ihn nicht mehr. Die Kreuzesbalken sind aus dem Winkel geraten, so hart hat es ihn getroffen. Seine Augen schauen uns nicht an; sie sind geschlossen (auch auf den anderen Bil-dern). Ein Hinweis darauf, dass Jesus dieses ganze Geschehen vor allem auch innerlich durchlebt und durchleidet. Seine Augen sehen uns nicht an, aber sein Gesicht ist uns voll zugewandt, als wolle er uns sagen: Um euretwillen, um deinetwillen mache ich all das durch. „Er wurde zerschlagen wegen unserer Vergehen. Uns zum Heil kam die Strafe über ihn. Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja).

8. Kreuzwegstation - Jesus begegnet den weinenden Frauen

Schon die fünfte Station und sechste Station haben uns deutlich gemacht, dass nicht alle Juden von damals Jesu Tod wünschten. Dieses achte Bild zeigt jüdische Frauen, Frauen von Jerusalem, die das Schicksal des Verurteilten aufrichtig beklagen. Eine der drei Frauen kniet vor ihm und umklammert seine linke Hand mit beiden Händen und drückt sie gegen ihr Gesicht, als wolle sie sagen: „Nein, ich lasse dich nicht, Herr; das darf doch nicht geschehen!“ Die zweite hält sich selber den Mund ganz fest zu, sonst würde sie schreien, laut schreien vor lauter Schmerz. Die dritte hat ihr ganzes Gesicht in den Händen verborgen. Sie möchte das Elend Jesu nicht mitansehen, den Todesgeruch nicht wahrnehmen, der schon von ihm ausströmt.

 

Jesus aber, tief unter das Kreuz gebeugt, wendet sein Gesicht den Frauen und uns allen zu. Gilt sein Wort nicht auch uns? Drohend schwebt das Kreuz über der ganzen Szene, seine Ausmaße sind nicht zu erkennen.

9. Kreuzwegstation - Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Und jetzt hat es ihn wieder zu Boden geschlagen, zum dritten Mal. War der erste Fall noch mehr wie ein Ausgleiten, hatte er beim zweiten Fall noch die Kraft, sein Gesicht uns zuzuwenden – jetzt ist er ganz am Boden zerstört. Sein Kopf, der auf die Erde schlug, die Haare, der Arm, die Beine: sein ganzer Leib ist in diesen Sturz hineingezogen. Schwer und massig wirkt dieser Leib, auch der Kopf, schwerer und massiger als auf den anderen Bildern. Dadurch wird die Wucht des Sturzes noch erhöht. – „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch mehr, den Leuten zum Spott und dem Volk zur Verachtung.“ – Vater, lass mich sterben, es ist genug, ich kann nicht mehr! – Doch dies ist noch nicht das Ende.

10. Kreuzwegstation - Jesus wird seiner Kleider beraubt

Es ist ein Unterschied, ob man sich entkleidet, um sich zu sonnen, oder ob man die Kleider vom Leib gerissen bekommt vor den Augen einer gaffenden Menge! Der Mann, der Jesus entkleidet, handelt mit brutaler Gewalt. Das zeigen der durchgestreckte Arm und die harte Faust. Halb kniet, halb hockt er vor ihm am Boden; aber welch ein Unterschied zu Veronika und den Frauen von Jerusalem! Und welch einen Gegensatz bildet diese Gestalt zu der des Herrn! Mit dreistem Blick und großem Maul, vorgeschobenem Kinn und fliehender Stirn wirkt dieser Mann wie ein Ungeheuer. Eine Bestie in Menschengestalt! Er tut, was ihm befohlen ist. Aber wie gern tut er es! Macht es ihm doch selber Spaß, einen von dieser frommen Sorte fertigzumachen.

 

Wie anders Jesus! Wie anders sein Gesicht, wie anders die Haltung seines ausgemergelten Leibes! Er gibt mit seiner Hand hin, was er hat: sein Gewand, sich selbst. Er steht unter keinem Befehl. Aber er handelt im Auftrag des Vaters, mit dem er sich ganz eins weiß.

11. Kreuzwegstation - Jesus wird an das Kreuz genagelt

Bizarre Formen künden von schrecklicher Qual. Jesus wird an das Kreuz genagelt. Wie ein halbzertretener Wurm sich windet, so krümmt sich Jesu Leib vor Schmerz. Eine Hand ist bereits angenagelt. Die andere wird sogleich folgen. Er hält sie selber hin. Aber den Kopf wendet er ab. Die Nägel liegen schon bereit, auch für die Füße. Wann folgt der nächste Schlag? „Gott, o mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“

12. Kreuzwegstation - Jesus stirbt am Kreuz

Jesus stirbt am Kreuz. Welche Ruhe strömt aus von diesem Bild, welch ein Unterschied zu dem vorhergehenden! „Es ist vollbracht. Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“ Weit klafft die Seitenwunde, sein Herz, das für alle schlug, hat aufgehört zu schlagen. Im Tode noch birgt er die Seinen unter seinen Armen: die Mutter, den Freund. Wären die Hände nicht festgenagelt, er hätte sie sterbend umarmt.

 

„Am Kreuze erhöht werde ich alle an mich ziehen.“ Gilt das auch für die Ankläger, für Pilatus, für den mit der Fratze? Er selbst hat keinen aus-geschlossen. Allen gilt seine Liebe. Sein Herz steht für alle offen.

13. Kreuzwegstation - Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

Jesus hat nun ausgelitten. Jesus ist tot. Maria, die ihn einst als Kind in und auf ihrem Schoße trug, hält jetzt seinen kalten und starren Leichnam auf ihrem Schoß. Sein Leidensweg ist zu Ende, nicht aber der seiner Mutter. „Ihr alle, die ihr vorübergeht, seht und schaut zu, ob ein anderer Schmerz wohl dem meinen gleicht!“

 

Noch hat die Mutter wenigstens seinen toten Leib. Doch wird sie auch ihn hergeben müssen. Schon gleitet er von ihrem Schoß zur Erde. „Tod und Vergehen waltet in allem, steht über Menschen, Pflanzen und Tieren, Sternbild und Zeit“ (Zitat aus dem Brevier). Er, von dem Paulus sagt: „In ihm ist alles geschaffen, das Sichtbare und das Unsichtbare“ – er hat sich der Macht des Bösen ausgeliefert bis zur Vernichtung seines Lebens.

14. Kreuzwegstation - Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt

Noch einmal tauchen zwei redliche Menschen auf: Nikodemusund Josef von Arimathäa. Beide sind sie insgeheim seine Anhänger, obgleich sie beide auch dem Hohen Rat angehören. Nikodemushatte es gewagt, im Hohen Rat für Jesus einzutreten. Josef hatte immerhin jetzt nach Jesu Tod Mut bewiesen, da er zu Pilatus gegangen war, um den Leichnam Jesu zu erbitten. Die beiden Männer tragen Jesus zu Grabe. Schmerz und Niedergeschlagenheit stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Mit ihm begraben sie all die Hoffnungen und die Erwartungen, die sie und viele andere auf Jesus von Nazareth gesetzt hatten. Jetzt bleibt nur noch, die letzte Ehre zu erweisen.

15. Kreuzwegstation - Jesus ist auferstanden

Der Tag, an dem er starb und begraben wurde, ist vorbei. Auch der folgende Tag, ein Sabbat, der große Festtag des Festes der ungesäuerten Brote, ist inzwischen vergangen. Der erste Tag der neuen Woche zieht herauf und Frauen kommen zum Grab Jesu. Sie finden es offen. Und ein Mann sitzt dort. Der Schreck fährt ihnen in die Glieder. Was ist passiert? Mit Nachdruck verweist er mit dem Zeigefinger seiner linken Hand auf das leere Grab: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Und mit dem Verheißungsgestus seiner Rechten (Zeige- und Mittelfinger sind lang nach oben ausgestreckt) bekräftigt er die Botschaft: „Er ist auferstanden und nicht hier.“

 

Auf diesem Bild sehen wir nur offene Augen. Der Engel schaut mit großen Augen auf die Frauen. Sein ganzer Leib ist Ruhe und Leben zugleich. Mehr als mit dem Mund scheint er mit Augen und Händen zu sprechen. Die drei Frauen schauen ebenfalls mit weitaufgerissenen Augen. Ihre Gesichter spiegeln Ent-setzen, Überraschung, ungläubiges Staunen. Sie stehen, hören, schauen mit offenem Mund. Im Augenblick sind sie starr. Aber gleich kommt Leben in diese Gestalten. Der Funke springt über. Sie werden eilen. Ein neuer Tag, welch herrlicher Tag! Ein neuer Anfang, Jesus lebt!